2019 Heft 4
Begutachteter Artikel
Dennis Tamesberger, Simon Theurl, (2019), Vorschlag für eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose in Österreich, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2019, Band 45 Nr.4, S471-495
Abstract zeigen
Vor dem Hintergrund hoher und persistenter Arbeitslosigkeit wird die Idee staatlich
finanzierter Arbeitsplätze sowohl theoretisch als auch empirisch vermehrt diskutiert.
Häufig wird kritisch auf die hohen fiskalischen Kosten solcher Programme hingewiesen,
wobei von Modellen ausgegangen wird, die Arbeitsplätze für alle Arbeitsuchenden zur
Verfügung stellen. Hinsichtlich der zunehmenden und persistenten Langzeitbeschäftigungslosigkeitin
Österreich entwickeln wir einen Modellvorschlag für eine Jobgarantie für Menschen
im Alter über 45 Jahren und einer Arbeitslosendauer von mindestens 2 Jahren und schätzen
die zusätzlich notwendigen fiskalischen Investitionen zur Beseitigung von Langzeitbeschäftigungslosigkeitin
Österreich. Wir identifizieren rund 40.000 Menschen, die den Kriterien entsprechen.
Es kann gezeigt werden, dass durch den Tausch von Arbeitslosenversicherungsleistungen
in staatlich finanzierte Arbeitsplätze, mit einem Bruttoeinkommen von 1.928 € im Monat,
Mehrkosten von lediglich 6.785 € pro Jahr und Person entstehen würden.
Georg Kantisar, (2019), Arbeitsmarktinstitutionen, Kapitalakkumulation und Arbeitslosigkeit in OECD-Ländern, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2019, Band 45 Nr.2, S179-201
Abstract zeigen
Die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte stellt nicht nur moderne Wohlfahrtstaaten vor
erhebliche strukturelle Herausforderungen, sondern birgt auch Risiken für den sozialen
Zusammenhalt von Gesellschaften. Der vorliegende Artikel untersucht anhand eines länderübergreifenden
Vergleichs den Einfluss von Arbeitsmarktunsicherheit auf Indikatoren des sozialen
Zusammenhalts. Die Analyse verdeutlicht, dass Unsicherheit am Arbeitsmarkt mit niedrigerem
Vertrauen und geringerer globalen Solidarität einhergeht, jedoch nicht mit einem negativen
Effekt auf lokale Solidarität. Zudem weist die Analyse darauf hin,dass dekommodifizierende
Wohlfahrtsstaaten den negativen Auswirkungen von Unsicherheiten am Arbeitsmarkt besser
entgegenwirken können. Der Artikel liefert einen ersten Einblick in die verschiedenen
Dimensionen und Indikatoren von sozialem Zusammenhalt und erzeugt damit ein tiefergehendes
Verständnis der sozialen Auswirkungen von Arbeitsmarktflexibilisierung.
Philipp Heimberger, (2019), Arbeitsmarktinstitutionen, Kapitalakkumulation und Arbeitslosigkeit in OECD-Ländern, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2019, Band 45 Nr.1, S13-42
Abstract zeigen
Diese Studie präsentiert ökonometrische Evidenz zur Frage, wie sich Arbeitsmarktinstitutionen
auf die („strukturelle“) Arbeitslosenquote auswirken, wobei die Schätzungen auf Daten
für 23 OECD-Länder (inklusive Österreich) im Zeitraum 1985-2013 basieren. Die Ergebnisse
zeigen, dass standardmäßige institutionelle Arbeitsmarktindikatoren – wie Arbeitsschutzbestimmungen,
gewerkschaftlicher Organisationsgrad, Steuerkeil und Mindestlöhne – keinen systematischen
und signifikanten Erklärungsgehalt bezüglich der Entwicklung von Arbeitslosenquoten
aufweisen. Arbeitsmarktinstitutionen mögen zwar teilweise einen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit
in OECD-Ländern haben, dieser Einfluss bleibt jedoch an Signifikanz und Relevanz deutlich
hinter dem Einfluss makroökonomischer Variablen zurück. Makroökonomische Einflussfaktoren
– insbesondere die Kapitalakkumulation, aber auch die langfristigen Realzinsen – sind
hingegen statistisch signifikante und ökonomisch relevante Determinanten der Arbeitslosigkeit.
Diese Resultate unterstreichen, dass die Sichtweise, wonach „Arbeitsmarktrigiditäten“
für eine gestiegene „strukturelle“ Arbeitslosigkeit in entwickelten Volkswirtschaften
verantwortlich seien, auf tönernen empirischen Füßen steht. Um die Entwicklung der
Arbeitslosigkeit in den OECDLändern zu verstehen, sollten ForscherInnen und wirtschaftspolitische
EntscheidungsträgerInnen ihr Hauptaugenmerk auf makroökonomische Faktoren legen.
Julia Eder, Etienne Schneider, (2018), Progressive Industriepolitik – Ein Ausweg für Europa!?, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.4, S471-502
Abstract zeigen
Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Diskussion über Industriepolitik
neu belebt. Angesichts der strukturellen Ungleichgewichte in der Europäischen Union
wurde Industriepolitik von verschiedenen Seiten als Weg aus der Krise und zur Reduzierung
ungleicher Entwicklung ins Spiel gebracht. Von linker Seite wurden Konzepte für eine
„progressive“ Industriepolitik mit mehrheitlich postkeynesianischer Orientierung erarbeitet.
Aber inwiefern ist eine Industriepolitik mit dieser Orientierung tatsächlich „progressiv“?
Nach einer Einführung in die Schlüsselannahmen und -vorschläge in der Diskussion über
progressive Industriepolitik leistet der Artikel drei spezifische Beiträge zu dieser
lebendigen Debatte: Erstens erweitern wir die aktuelle Debatte um die Dimension der
politischen Durchsetzungsfähigkeit sowie Fragen zu Machtbeziehungen und Hegemonie.
Zweitens beginnen wir häufig verwendeten Schlagwörtern der aktuellen Debatte wie ökologischer
Nachhaltigkeit, ArbeiternehmInnenbeteiligung und demokratischer Partizipation sowie
Geschlechtersensibilität einen konkreteren Inhalt zu geben. Und drittens diskutieren
wir vor dem Hintergrund der Zentrum-Peripherie-Beziehungen innerhalb der EU, was die
aktuelle Debatte von Erfahrungen aus dem globalen Süden lernen kann. Unsere Schlussfolgerung
ist, dass progressive Industriepolitik zwar einen Ausweg aus der ungleichen europäischen
Entwicklung darstellen kann, aber dass die Ausarbeitung und Umsetzung einer tatsächlich
progressiven Industriepolitik auf europäischer Ebene vor enormen Schwierigkeiten steht.
In vielerlei Hinsicht lässt die nationale und subregionale Ebene nach wie vor mehr
Spielraum als die supranationale.
Markus Hadler, Hannah Volk, (2018), Einstellungen zur weiteren Flexibilisierung des Arbeitsplatzes. Österreichische ArbeitnehmerInnen
im internationalen Vergleich, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.4, S503-524
Abstract zeigen
Dieser Beitrag untersucht die Frage, welche Veränderungen die österreichischen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in ihrer Erwerbstätigkeit in Betracht ziehen, wenn sie von Arbeitslosigkeit
bedroht wären. Wir bewegen uns damit in der Schnittmenge der Literatur zu Flexibilität
und Prekariat. Dabei ist Flexibilität das konnotativ meist positiv besetzte Wort,
das einen wenig regulierten Arbeitsmarkt mit einem aktiven, nach Optionen ausschauenden
Menschen in Verbindung bringt, während Prekariat eine mögliche Konsequenz eines solchen
Arbeitsmarktes sein kann. Die empirische Analyse basiert auf Umfragedaten aus 27 Ländern,
die in den Jahren 2005/06 und 2015/16 vom International Social Survey Programme erhoben
wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die „Flexibilität“ der österreichischen ArbeitnehmerInnen
international im Mittel liegt und dass sich in Österreich vor allem besser abgesicherte
ArbeitnehmerInnen flexibel zeigen. International zeigt sich im Untersuchungszeitraum
eine Annäherung der Einstellungen über verschiedene Arbeitsmarktregime hinweg.
Oliver Picek, (2018), Gesamtwirtschaftliche Beschränkungen der Beschäftigungspolitik in Österreich, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.3, S293-313
Abstract zeigen
In einer Zeit sehr hoher Arbeitslosenraten sind europäische Initiativen zur Konjunkturbe-lebung
äußerst kurzfristig, meist aber gar nicht vorgesehen. In wie weit kann Österreich
daher im Alleingang durch nachfrageseitige Konjunkturpolitik Arbeitsplätze für seine
Bevölkerung schaffen? Ich analysiere Erhöhungen der Staatsausgaben in unterschiedli-chen
Größenordnungen und berichte die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die Zahl
der Arbeitsplätze und die Handelsbilanz unter der Annahme ihrer historischen Wirk-samkeit
mittels Input-Output Daten. Gewichtige Argumente gegen diskretionäre Konjunk-turpolitik
— u.a. der Fiskalpakt, die europäische ArbeitnehmerInnen-Freizügigkeit, der mögliche
Abfluss der Ausgaben ins Ausland, bis hin zur Verschlechterung der Leistungsbi-lanz
— werden aus politökonomischer Perspektive für die makroökonomische Situation Österreichs
besprochen.
Ruth Fulterer, Ioana Lungu, (2018), The Speeds of Europe – An Analysis of Regional Disparities Across the EU, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.2, S169-190
Abstract zeigen
This paper aims to shed light on the evolution of regional disparities with respect
to economic activity, productivity and employment across the European Union. While
the „multiple Speeds of Europe“ are a buzzword often quoted to underpin different
political strategies and visions, they are usually not connected to an analysis of
the actual inequalities and the existing trends. We employ the Theil-index of concentration
to conduct such an analysis for 191 EU regions from 1991 to 2014, showing the evolution
of disparities in terms of regional GVA, labour productivity and employment, both
on the between country and within country level. We find a descending trend in disparities
following each enlargement period after 2004, which has however slowed down in the
wake of the recession and has since been outpaced 189 44. Jahrgang (2018), Heft 2
Wirtschaft und Gesellschaft by the speed of EU enlargement. The differences in economic
activity across Europe are driven by labour productivity disparities between EU-27
Member States; however, across the core Member States, we observe a dramatic increase
in employment disparities that have been pushing inequality upwards over the last
decade. On a regional level, aggregate within-country inequality is determined by
employment differences between regions. Nevertheless, there are large increases in
inequality as regards the distribution of regional productivity in selected Member
States, which fit the hypothesis of spatially concentrated productive hubs against
a backdrop of regional polarisation. In order to reflect the socioeconomic reality
across the European Union, both the discourse on development and the policies aiming
at convergence need to become more nuanced.
Andrea Grisold, Hendrik Theine, (2018), Zur Vermittlungsrolle von Massenmedien am Thema „Ungleichheit“. Die Piketty-Rezeption, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.2, S191-72
Abstract zeigen
Vorliegender Artikel setzt sich mit der Frage auseinander, wie das Themenfeld „ökonomische
Ungleichheit“ an die Öffentlichkeit vermittelt und somit ein Bild der Ungleichheit
bei Nicht-ExpertInnen geprägt wird. Die Debatte um Thomas Pikettys Bestseller „Capital
in the 21st Century“ dient als Fallbeispiel, solch medialer Rezeption und Repräsentation
nachzugehen und aufzuzeigen, welches Ökonomieverständnis dem zugrunde liegt. Die breite
und kontroversielle Rezeption des Buches wurde – in einem transnationalen und multidisziplinären
Forschungsprojekt – in ausgewählten Printmedien in vier Ländern (Österreich, Deutschland,
Irland und Großbritannien) untersucht. Methodisch anleitend war dabei die Kritische
Diskursanalyse, welche sowohl die manifesten als auch die latenten Bedeutungen und
Strukturen in Texten zu analysieren ermöglicht. Die mediale Haltung zu Ungleichheit
wurde sowohl in den Kategorien der zugrundeliegenden Ordnungsprinzipien analysiert
als auch der dargestellten ökonomischen Konsequenzen von Ungleichheit, ebenso der
politischen Konsequenzen und der Diskussion möglicher Politikmaßnahmen. Die Ergebnisse
zeigen Tendenzen, ja „Framings“ der Berichterstattung ebenso auf wie „signifikantes
Schweigen“ zu gewissen Themen (z. B. unterschiedlicher Interessen bei Verteilungsfragen).
Stefan Ederer, Stefan Schiman, (2018), Effekte der gesamtwirtschaftlichen Produktion auf die Entwicklung der Produktivität
in Österreich und der EU, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.1, S17-44
Abstract zeigen
Der Artikel untersucht Verdoorn-Effekte in Österreich und der EU empirisch mittels
ökonometrischer Methoden. Wir finden sowohl für die Sachgütererzeugung als auch für
die Gesamtwirtschaft signifikante Effekte. Demnach zieht ein Anstieg der Produktion
um ein Prozent eine Steigerung der Arbeitsproduktivität um bis zu 1/2 Prozentpunkt
nach sich. Mithilfe von Impuls-Antwort-Funktionen werden zusätzlich endogene Verstärkungsmechanismen
über eine stärkere Kapitalakkumulation und den dadurch induzierten technischen Fortschritt
abgebildet. Eine Phase schwachen Wirtschaftswachstums hat demnach einen direkten negativen
Einfluss auf das Produktivitätswachstum und daher den langfristigen Wohlstand und
die Wettbewerbsfähigkeit. Angebotsseitige Politikmaßnahmen zur Steigerung der Produktivität
sollten daher durch Maßnahmen zur Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ergänzt
werden.
Stefan Ederer, Stefan Schiman, (2018), Korrigendum: Effekte der gesamtwirtschaftlichen Produktion auf die Entwicklung der
Produktivität in Österreich und der EU, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.1, S18-18
Julia Groiß, Alyssa Schneebaum, Barbara Schuster, (2018), Vermögensunterschiede nach Geschlecht in Österreich: Eine Analyse auf der Personenebene, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2018, Band 44 Nr.1, S45-72
Abstract zeigen
Im vorliegenden Artikel werden die zentralen Ergebnisse der Studie zur Vermögensverteilung
zwischen Frauen und Männern auf Personenebene in Österreich vorgestellt. Es wurden
bereits zahlreiche Studien zu den Themen der Einkommensverteilung und dem geschlechtsspezifischen
Lohnunterschied publiziert, die Analyse von Vermögensunterschieden zwischen Geschlechtern
stand bisher allerdings nicht im Zentrum der Betrachtung. Dabei ist gerade Vermögen
ein wesentlich umfassenderes Maß für den Wohlstand eines Haushalts bzw. Individuums.
Die Untersuchung der geschlechtsspezifischen Vermögenslücke erfolgt im Rahmen der
Studie zum ersten Mal für Österreich anhand von Individualdaten aus dem „Household
Finance and Consumption Survey“ (HFCS) 2014. Die Analyseergebnisse zeigen, dass das
Nettovermögen innerhalb von Paarhaushalten ungleich verteilt ist und eine geschlechtsspezifische
Vermögensdifferenz zulasten der Frauen existiert. In österreichischen Paarhaushalten
kann im Durchschnitt ein Gender Wealth Gap in Höhe von 58.417 A ermittelt werden.
Frauen in Paarhaushalten besitzen demnach um 28% weniger Vermögen als Männer. Dieser
Artikel analysiert des Weiteren Unterschiede hinsichtlich Nettovermögen von Frauen
und Männern in Paar- und Single-Haushalten anhand von Haushaltsstruktur und Entscheidungsmacht.
Benjamin Ferschli et.al., (2017), Bestände und Konzentration privater Vermögen in Österreich 2014/2015, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.4, S499-534
Abstract zeigen
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Untererfassung reicher Haushalte in der zweiten
Welle des HFCS unter der Annahme einer Pareto-Verteilung für den oberen Rand der Vermögensverteilung
zu korrigieren und damit eine realistischere Darstellung der Bestände und Verteilung
privater Vermögen in Österreich zu liefern. Dabei wurden auf Basis von Monte-Carlo-Simulationen
verschiedene Varianten der Implementierung dieser Pareto- Methode überprüft. Es hat
sich gezeigt, dass bei Vorliegen nicht-gleichverteilter Antwortverweigerungen, die
insbesondere die Spitze der Vermögensverteilung betreffen, der QQSchätzer in Kombination
mit einer Liste der reichsten ÖsterreicherInnen gut geeignet ist, um den oberen Rand
der österreichischen Vermögensverteilung statistisch abzubilden. Die Methode von Eckerstorfer
et al. (2013, 2016) wurde damit um Überlegungen zu Nichtbeantwortungsproblemen erweitert.
Unter der Annahme einer Pareto-Verteilung am oberen Rand der Vermögensverteilung beläuft
sich das geschätzte Gesamtvermögen auf 1,317 Mrd. Euro. Wird im Vergleich dazu das
Gesamtvermögen der österreichischen Haushalte basierend auf den HFCS-Daten geschätzt,
ohne weitere Versuche zu unternehmen, für die Untererfassung der Vermögensspitze zu
korrigieren, ergibt sich ein Wert von 998 Mrd. Euro. Der Unterschied entspricht einem
Anstieg des Durchschnittsvermögens um 81.000 Euro (von 258.000 Euro auf 339.000 Euro).
Der Anteil der reichsten 1% der Haushalte am österreichischen Gesamtvermögen steigt
dadurch von 25% auf 41%.
Stefan Ederer et.al., (2017), Effekte eines flächendeckenden Mindestlohns in Österreich, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.3, S343-377
Abstract zeigen
Der Artikel untersucht die Auswirkungen der flächendeckenden Einführung eines Mindestlohnes
in Österreich von 1.500 € oder 1.700 €. Im ersten Schritt werden mit dem WIFO-Mikrosimulationsmodell
die betroffenen Personen sowie die Effekte auf Personenund Haushaltseinkommen und
deren Verteilung untersucht. Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse der Mikrosimulation
ins WIFO-Macromod übernommen und die gesamtwirtschaftlichen Effekte berechnet. Wie
die Ergebnisse zeigen, würde die Einführung eines Mindestlohnes einen breiten Personenkreis
insbesondere am unteren Rand der Einkommensverteilung betreffen und die Einkommen
dieser Gruppe deutlich erhöhen. Frauen, Niedriglohnbeschäftigte, Teilzeitbeschäftigte
und Beschäftigte mit befristeten Dienstverhältnissen profitieren dabei besonders.
Die Armutsgefährdung der Erwerbstätigen würde dadurch merklich sinken. Auf die gesamtwirtschaftliche
Produktion und die Beschäftigung hat die Einführung eines Mindestlohnes hingegen kaum
Auswirkungen.
Helmut Hofer, Gerlinde Titelbach, Stefan Vogtenhuber, (2017), Polarisierung am österreichischen Arbeitsmarkt?, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.3, S379-404
Abstract zeigen
Technologischer Wandel und Globalisierung haben auf den Arbeitsmärkten ihre Spuren
hinterlassen. Die Polarisierungshypothese geht davon aus, dass die Arbeitskräftenachfrage
sowohl in den Niedrig- als auch Hochlohnberufen zulasten der Berufe im mittleren Lohnsegment
ansteigt. Dies lässt sich dadurch erklären, dass in diesen Berufen überdurchschnittlich
viele Arbeitsplätze mit Routinetätigkeiten existieren, die aufgrund der technologischen
Entwicklung wegrationalisiert werden können. Seit Beginn der 1990er-Jahre finden sich
Hinweise auf Polarisierungstendenzen am Arbeitsmarkt insbesondere für die USA und
Großbritannien, etwas später auch für andere europäische Länder. In diesem Artikel
wird die Gültigkeit der Polarisierungshypothese für den österreichischen Arbeitsmarkt
anhand der Daten der Arbeitskräfteerhebung für den Zeitraum 1994 bis 2015 untersucht.
Unsere Ergebnisse zeigen zwar einen relativen Beschäftigungsrückgang bei den Berufen
im mittleren Lohnsegment. Da aber auch die Niedriglohnberufe an Bedeutung verlieren,
besteht keine aussagekräftige Evidenz für Polarisierung. Darüber hinaus verlieren
Berufe mit einem hohen Anteil an manuellen Routinetätigkeiten im Zeitverlauf an Bedeutung.
Maximilian Unger et.al., (2017), Technologischer Fortschritt und Ungleichheit: eine empirische Analyse der Entwicklung
in Österreich 2008-2014, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.3, S405-437
Abstract zeigen
In diesem Beitrag werden die wichtigsten empirischen Ergebnisse einer Studie des INEQ-Instituts
der WU Wien und von JOANNEUM RESEARCH – POLICIES präsentiert, die sich mit den Auswirkungen
des technologischen Wandels auf die Beschäftigung und Einkommensverteilung in Österreich
beschäftigt hat. Untersuchungsgegenstand der empirischen Analyse sind die Branchen
der Sachgütererzeugung sowie private Dienstleistungen in der Zeit seit dem Ausbruch
der Krise (2008 bis 2014). Im Gegensatz zu anderen aktuellen Studien wird hier ein
breiterer Ansatz zur Erfassung des technologischen Wandels gewählt, indem sowohl die
F&E (Forschungs- und Entwicklungs)-Intensität als auch der Anteil von IKT-Investitionen
betrachtet werden. Für den Beobachtungszeitraum zeigt sich, dass höhere F&E-Intensität
in der Sachgütererzeugung mit einem Anstieg der Lohnungleichheiten einhergeht, während
bei den Dienstleistungen eine Verringerung beobachtet werden kann. Wird hingegen der
Anteil der F&E-Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung in den Branchen betrachtet,
so ist dieser durchgängig mit einer Reduktion der Lohnungleichheit verbunden. Der
Anteil der IKT-Investitionen ist jedoch nur in den Branchen der Sachgütererzeugung
und nur in Zusammenhang mit den F&E-Ausgaben signifikant negativ. Diese Ergebnisse
verdeutlichen, wie komplex und heterogen die Entwicklungen in den Branchen sind und
zeigen zudem auf, dass wegen ihrer Bedeutung in Zukunft bei der Untersuchung der ökonomischen
Auswirkungen des technologischen Fortschritts Verteilungsfragen verstärkt berücksichtigt
werden müssen.
Stefanie Gerold, Michael Soder, Michael Schwendinger, (2017), Arbeitszeitverkürzung in der Praxis. Innovative Modelle in österreichischen Betrieben, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.2, S177-204
Abstract zeigen
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit Arbeitszeitverkürzung auf betrieblicher
Ebene, ein Aspekt, der in der bisherigen Forschungsliteratur eher vernachlässigt wurde.
Im ersten Teil der Studie werden sieben unterschiedliche Modelle betrieblicher Arbeitszeitverkürzung
in Österreich beleuchtet. Dabei wird analysiert, welche Probleme den Anstoß zu einer
Reduzierung der Arbeitszeit gaben, welche Aspekte und Motive diesen Prozess unterstützt
haben, welche Barrieren und Risiken zutage traten und welche Faktoren schlussendlich
zu einer erfolgreichen Umsetzung und Beibehaltung der Modelle beitrugen. Im zweiten
Teil wird eines der untersuchten Modelle – die Freizeitoption – aus Perspektive der
Beschäftigten analysiert. Dabei werden die Art der Verwendung sowie die subjektiven
Auswirkungen auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Lebensqualität und Work-Life-Balance,
Arbeitszufriedenheit und -belastung, sowie Aufstiegschancen im Betrieb diskutiert.
René Böheim, Alina Steidl, (2017), Kollektivvertragliche Bestimmungen zur betrieblichen Weiterbildung in Österreich*, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.2, S205-241
Abstract zeigen
Wir untersuchen 263 österreichische Kollektivverträge auf Bestimmungen über betriebliche
Weiterbildung. Die Kollektivverträge enthalten wenige solche Bestimmungen, aber Kollektivverträge,
die für Angestellte gelten, haben diese häufiger als jene für Arbeiter/innen. Die
Daten des CVTS 4 zeigen, dass die Kollektivverträge von weiterbildungsaktiven Wirtschaftsbereichen
häufiger Bestimmungen zur betrieblichen Weiterbildung enthalten als jene, die für
weniger bildungsaktive Wirtschaftsbereiche gelten. Die Kollektivverträge der Bereiche
mit den niedrigsten Weiterbildungsquoten, wie Bau und Beherbergung und Gastronomie,
enthalten wenige bis keine Weiterbildungsvorschriften
Britta Gehrke, Brigitte Hochmuth, (2017), Rettet Kurzarbeit in Rezessionen Arbeitsplätze?, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2017, Band 43 Nr.1, S99-122
Abstract zeigen
Kurzarbeit ermöglicht es Firmen, die von einem vorübergehenden Nachfrageausfallbetroffen
sind, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten temporär zu reduzieren. Gleichzeitig kompensiert
der Staat einen Teil des Lohnausfalls. Kurzarbeit ist somit ein zielgerichtetes arbeitsmarktpolitisches
Instrument zur Flexibilisierung des Arbeitsinputs, das Kündigungen vermeidet und die
Beschäftigung stabilisiert. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008
und 2009 hat eine Vielzahl der OECD Länder Kurzarbeit genutzt. Dabei war der Anteil
der KurzarbeiterInnen an der Beschäftigung in Deutschland etwa fünfmal so hoch wie
in Österreich. In diesem Beitrag stellen wir die Ergebnisse unseres aktuellen Forschungsprojektes
zum Thema Kurzarbeit vor. Darin trennen wir diskretionäre Kurzarbeitspolitik von der
regelgebundenen Komponente und fokussieren uns auf mögliche zeitvariierende Effekte.
Unsere Ergebnisse für Deutschland zeigen, dass die Effekte von diskretionären ad-hoc
Politikmaßnahmen stark zeitabhängig sind: In tiefen Rezession wirkt diese Politik
deutlich beschäftigungsstabilisierend. Im Gegensatz dazu sind die Effekte in normalen
Zeiten oder in Wirtschaftsaufschwüngen wesentlich geringer und können sogar negativ
werden. Demnach ist diskretionäre Kurzarbeitspolitik umso effektiver, desto tiefereine
Rezession ist. Eine Analyse der Wirkungskanäle zeigt, dass die Beschäftigungseffekte
durch eine signifikante Reduktion von Kündigungen zustande kommen.
Philipp Poyntner, (2016), Beschäftigungseffekte von Arbeitszeitverkürzung. Eine makroökonomische Perspektive, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2016, Band 42 Nr.4, S665-684
Abstract zeigen
Mit konstant hohen Arbeitslosenzahlen in vielen europäischen Ländern wird Arbeitszeitverkürzung
als Beschäftigungsmaßnahme wieder vermehrt diskutiert. Sowohl die theoretische als
auch die empirische Forschungsliteratur sind von einem Konsens hinsichtlich der Beschäftigungswirkung
von Arbeitszeitverkürzung weit entfernt. Vor allem Arbeiten mit Mikrodaten finden
oft keinen oder einen negativen Zusammenhang zwischen Arbeitszeitverkürzung und Beschäftigung,
während Zeitreihenmodelle mit aggregierten Daten eher positive Schätzungen hervorbringen.
Aufbauend auf der Arbeit von Kapteyn et al. (2004)wird ein makroökonomisches Modell
weiterentwickelt, das versucht, langfristige Beziehungen zu schätzen. Für ein Panel
aus 18 europäischen Ländern werden zwei Weiterentwicklungen der existierenden Zeitreihenliteratur
vorgenommen: Erstens werden die durchschnittlichen Arbeitsstunden von Vollzeitarbeitnehmern
verwendet und dadurch der Effekt von Teilzeitarbeit isoliert. Zweitens wird auf die
Querschnittsabhängigkeit der Daten kontrolliert. Das Resultat des ARDL-Modells legt
einen positiven Zusammenhang zwischenkürzerer Wochenarbeitszeit und Beschäftigung
nahe
Markus Knell, (2016), Grundlagen eines soliden und solidarischen Pensionskontensystems, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2016, Band 42 Nr.3, S465-496
Martina Zandonella, Evelyn Hacker, (2016), Schadet Ungleichheit der Demokratie? Die Auswirkungen von lokaler Einkommensungleichheit
auf das Nichtwählen in Österreich am Beispiel der Nationalratswahl 2013, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2016, Band 42 Nr.2, S303-323
Abstract zeigen
Wahlen sind ein Kernelement jeder Demokratie, und eine über möglichst alle gesellschaftlichen
Gruppen hinweg verteilte Partizipation ist zentral für die Gerechtigkeit in demokratischen
Systemen. Wenn sich bestimmte Gruppen systematisch nicht beteiligen, spiegeln sich
auch ihre Bedürfnisse und Interessen seltener in den politischen Entscheidungenwider.
Ausgehend von den bestehenden Erkenntnissen zu den sozialen Auswirkungen von Einkommensungleichheit
untersucht die vorliegende Studie mögliche Einflüsse von lokaler Einkommensungleichheit
auf die Wahlbeteiligung. Dazu werden erstmalig die nun auch auf Gemeindeebene verfügbaren
Indikatoren zu Ungleichheit herangezogen und mit den Umfragedaten der Wahltagsbefragung
zur Nationalratswahl 2013 verknüpft. Ergänzt wird das Modell zur Erklärung von Nichtwählen
mit einigen ausgewählten, aus der Partizipationsforschung bekannten Einflussfaktoren
auf der individuellen Ebene. Die Ergebnisse geben erste Hinweise darauf, dass zunehmende
Ungleichheit auf Gemeindeebene die Wahlbeteiligung senkt. Dies geschieht indirekt
über die höhere Wahrscheinlichkeit, von Exklusionserfahrungen betroffen zu sein und
einem damit einhergehenden, geringeren Vertrauen in die Wirksamkeit von Partizipation.
Schließlich werden Vorschläge für eine Fortsetzung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung
mit dem vorliegenden Thema aufgezeigt.
Stefan Kranzinger, (2016), Eine Analyse des Prozesses der Vermögensakkumulation anhand des Konzeptes der Pfadtheorie, Wirtschaft und GesellschaftAK-Wien 2016, Band 42 Nr.1, S131-160
Abstract zeigen
15542. Jahrgang (2016), Heft 1 Wirtschaft und Gesellschaft Netzwerkeffekte der Vermögensakkumulation
identifiziert. Diese wurden als Auslöser und Verstärker von pfadabhängigen Prozessen
verstanden und bildeten somit das Fundament für die Analyse des Prozesses der Vermögensakkumulation.
Zudem wurde mithilfe der identifizierten direkten und indirekten Netzwerkeffekte ein
formales Modell entwickelt, mit dem es möglich ist, die Auswirkungen dieser veranschaulichen
und interpretieren zu können. Der anhand der Theorie des Matthäus-Effekts herausgearbeitete
direkte Netzwerkeffekt zeigt, dass unterschiedliche soziale, gesellschaftliche und
ökonomische Ausgangsbedingungen von Individuen selbstverstärkende Effekte bewirken,
welche den Prozess der Vermögensakkumulation für bereits wohlhabende Individuen positiv
beeinflussen und somit eine steigende gesellschaftliche Ungleichheit nach sich ziehen.
Dadurch kann eine Pfadabhängigkeit in Bezug auf den Prozess der Vermögensakkumulation
erkannt werden. Die hierzu entwickelte Modellvariante 2 zeigt im Vergleich zu Modellvariante
1, dass durch die Formalisierung des Matthäus-Effekts die soziale Ungleichheit zugenommen
hat. Als theoretische Grundlage für die Analyse eines indirekten Netzwerkeffektes
wurde Paretos Elitentheorie herangezogen. Es wurde ersichtlich, dass sich gesellschaftliche
sowie wirtschaftliche Eliten durch ökonomisches Kapital politische Macht aufbauen
können. Diese Macht kann wiederum dazu verwendet werden, ökonomisches Kapital zu vermehren.
Durch diese wechselseitige Beziehung zweier kompatibler Systeme, Geld und Macht, konnte
die Annahme eines indirekten Netzwerkeffektes untermauert werden. Außerdem war es
durch die von Piketty beobachteten ungleichen Kapitalertragsratenmöglich, den herausgearbeiteten
indirekten Netzwerkeffektdurch ein praktisches Beispiel veranschaulichen zu können.
Die Analyse von Bourdieus Kapitaltheorie ergab, dass ökonomisches Kapital in kulturelles
bzw. soziales Kapital umgewandelt werden kann. Diese beiden Kapitalformen können wiederum
in ökonomisches Kapitalumgewandelt werden. Der Besitz von ökonomischen Kapital erhöht
somit die Chancen, kulturelles und soziales Kapital aufzubauen und vice versa. Ökonomisches
und kulturelles bzw. soziales Kapital sind demnach miteinanderkompatibel. Dies führt
zu wechselseitigen positiven Rückkopplungseffekten, welche soziale Ungleichheit verstärken
und in einer Gesellschaft verankern. Mithilfe der Formalisierung dieser beiden indirekten
Netzwerkeffekte konnte eine Steigerung sozialer Ungleichheit beobachtet werden. So
hat laut den Indikatoren in Modellvariante 3 und 4 die soziale Ungleichheit deutlich
zugenommen. Betrachtet man die Vermögensverteilung nach 200 Runden, ist ähnliches
zu beobachten. Die bereits in Modellvariante2 sichtbare Elitenbildung hat sich in
den Modellvarianten 3 und 4, durch die Berücksichtigung von ungleichen Kapitalertragsraten
sowie sozialem und kulturellem Kapital, noch stärker herauskristallisiert. Wirtschaft
und Gesellschaft 42. Jahrgang (2016), Heft 1 Die Modifizierung von Modellvariante
2 durch das Verhältnis r >g, also einem Szenario, in welchem die Kapitalertragsrate
die Wachstumsrate des Nationaleinkommens überschreitet, hatte zwar keine vermehrte
soziale Ungleichheit zur Folge, veränderte jedoch die Zusammensetzung des BIP. Dieses
setzte sich nun größtenteils aus Kapital- statt aus Arbeitseinkommen zusammen. Wie
erwartet vergrößerte sich auch Pikettys Beta, was auf eine erhöhte Bedeutung von Kapital
in Bezug auf den Prozess der Vermögensakkumulation hinweist.